Viel zu katalogisieren im Bizzenbachtal

Vogel- und Naturschutzgruppe beim "GEO-Tag der Artenvielfalt" - Explosionsartige Vermehrung der Vegetation

Aus dem Usinger Anzeiger vom 27.05.2000

Von Falk Schreiber


Die Verurwaldung des Bizzenbachtals schreitet voran: Schon das Eingangstor zum Biotop wird überwuchert (Bild: fis)

WEHRHEIM. Platsch. Mit einem Satz ist der Frosch von den sich nähernden Schritten geflüchtet, für ein paar Sekunden, dann ist die Neugierde stärker, und er kriecht wieder zurück ans Ufer des Tümpels. Nicht mehr die Amphibie ist die Beobachtete, sondern der Besucher: Die Natur hat sich hier eine Landschaft zurückerobert, im einsamen Biotop Bizzenbachtal hinter dem Wehrheimer Schwimmbad.


Grün wohin man sieht: Das Biotop Auwiese ist ein gelungenes Beispiel für eine Renaturierungsmaßnahme. (Bild: fis)

Und weil sich die Renaturierungsmaßnahmen erfolgreich anlassen, haben sich die Initiatoren des Biotops, die Vogel- und Naturschutzgruppe Wehrheim, entschlossen, am nächsten Samstag beim "2. GEO-Tag der Artenvielfalt" teilzunehmen, laut der Gruppe als einzige Organisation im ganzen Kreis. Ziel der Aktion ist es, das weitläufige Areal im wahrsten Sinne des Wortes "unter die Lupe" zu nehmen: Ab 9.30 Uhr werden Interessierte das Biotop genau durchkämmen und dabei die Tier- und Pflanzenwelt einer Feuchtwiese katalogisieren. Durch dieses und ähnliche Vorhaben im gesamten Bundesgebiet erhalten die Leser des Hamburger Magazins "GEO" einen Überblick über die in Deutschland mögliche Flora und Fauna.

Bewusstsein für Vielfalt

Der Sinn der Aktion ist es, so Wolf Dieter Herrmann, 2. Vorsitzender der Vogel- und Naturschutzgruppe, in der Bevölkerung das Bewusstsein zu wecken, welche Tier- und Pflanzenvielfalt in den heimischen Wiesen herrscht, überlässt man sie nur sich selbst. So bieten die Auwiesen im Bizzenbachtal nicht nur den schon erwähnten Fröschen Schutz, auch Libellen lassen sich beim Liebesspiel beobachten. Bienen bauen Nester, Sumpfschwertlilien siedeln sich an. Nur das Wasserhuhn, von dem Herrmann erzählt, ist scheu und traut sich nicht aus seiner Deckung.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das wilde Kreuchen und Fleuchen in den Auwiesen einzig aus heimischen Tieren und Pflanzen besteht - keine einzige Art ist eingeschleppt, hier lebt es nur, weil das Biotop sich selbst überlassen blieb. Kein Vergleich zu den übrigen Wiesen im Bizzenbachtal, die alle schon seit Mitte Mai, also direkt in der Brut- und Setzzeit, abgemäht sind. Keine Rückzugsmöglichkeit für Wasservögel, Feldhasen oder Insekten bieten die. Aber Wolf Dieter Herrmann ist den Bauern nicht böse, ist die Nutzung der Felder doch deren Beruf, und als Schutzgebiet springen ja die Auwiesen in die Bresche. Und im Sommer, wenn diese gemäht werden, stehen die umgebenden Wiesen in der Frucht und spenden den bis auf weiteres nicht mehr im Biotop heimischen Tieren Schutz.

Auf lange Sicht will die Vogel- und Naturschutzgruppe das gesamte untere Bizzenbachtal in seinen Urzustand zurückversetzen. Dazu gehört auch der weitestgehend begradigte Bizzenbach: Dessen Fließgeschwindigkeit soll verringert werden, einzelne Staustufen sollen sich bilden, Überschwemmungsgebiete entstehen, die beiden Tümpel in den Auwiesen sind ein Anfang.

Die explosionsartige Vermehrung der Vegetation insbesondere im östlichen Tümpel wird den Naturfreunden nächstes Wochenende eine beträchtliche Leistung abverlangen: Es gibt Einiges zu katalogisieren. Immerhin konnten schon bei einem "Probelauf" zum "GEO-Tag" der Artenvielfalt am 5. Mai über 100 Tier- und Pflanzenarten auf den Auwiesen notiert werden, so die Vogel- und Naturschutzgruppe. Es darf also erwartet werden, dass sich der Tag der Artenvielfalt am 3. Juni zum vollen Erfolg entwickelt. Und vielleicht lassen sich auch ein paar bislang Uninteressierte vom Engagement der Naturschützer anstecken. Das wäre dann doch wirklich mal eine gute Nachricht.